23 septembre 2014
Gide Frankreich | Infobrief - Corporate | September 2014
Am 1. August ist das französische Gesetz zur Sozialwirtschaft (Loi n° 2014-856 du 31 juillet 2014 relative à l’économie sociale et solidaire) durch Veröffentlichung im Amtsblatt der französischen Republik in Kraft getreten. Das Gesetz ist besser bekannt unter dem Namen loi Hamon, nach dem Initiator des Gesetzes und damaligen Beigeordneten Minister für soziale Ökonomie und Solidarität im Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und Außenhandel.
Als zentraler Bestandteil der loi Hamon wird eine Verpflichtung zur Informationen der Arbeitnehmer im Rahmen der Veräußerung eines Unternehmens (fonds de commerce) oder einer Mehrheitsbeteiligung an einer Gesellschaft geschaffen. Zweck der Information ist es, die Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, selbst ein Angebot zur Übernahme des Unternehmens abzugeben. Damit wird das Ziel verfolgt, dem Verlust von Arbeitsplätzen im Rahmen von Unternehmungsveräußerungen oder sogar Schließungen entgegenzuwirken.
Die sich aus dem Gesetz ergebende Informationspflicht sollte bei Veräußerungen von Unternehmen oder Anteilsveräußerungen frühzeitig in die Überlegungen zu Strukturierung und Planung der Transaktion einbezogen werden.
Die Regelungen zur Informationspflicht finden auf Transaktionen Anwendung, die mindestens drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, also ab dem 1. November 2014, abgeschlossen wurden.
Der Anwendungsbereich der Informationspflicht beschränkt sich auf veräußerte Unternehmen ohne Betriebsrat (d. h. Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmern) und andererseits auf Unternehmen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern, soweit sie in die Definition kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) fallen. Dies ist der Fall, wenn das betroffene Unternehmen einen jährlichen Umsatz von 50 Millionen Euro und/ oder eine Bilanzsumme von 43 Millionen Euro unterschreitet.
Eine Informationspflicht besteht nicht, wenn die Veräußerung im Rahmen einer Erbfolge oder Auflösung des Güterstands oder an ein direktes Familienmitglied erfolgt oder sich das Unternehmen in einem Insolvenzverfahren befindet.
Die Information der Arbeitnehmer muss laut Gesetz grundsätzlich schon dann erfolgen, wenn der Eigentümer abtreten will, spätestens jedoch zwei Monaten vor Abschluss der Transaktion, bzw. wenn ein Betriebsrat besteht, zu demselben Zeitpunkt, zu dem dieser im Rahmen des Unterrichtungs- und Anhörungsverfahrens (procédure d’information et de consultation) informiert werden muss. Dieser Zeitraum kann zwischen ein und vier Monaten betragen.
Nach der Unterrichtung haben die Arbeitnehmer die Möglichkeit, den Beistand eines Vertreters der örtlichen Industrie- und Handelskammer (oder entsprechenden Einrichtung) anzufordern. Diese Möglichkeit soll auf dem Wege einer
Durchführungsverordnung näher geregelt werden. Die Arbeitnehmer sind an dieselben Verschwiegenheitsgebote gebunden wie auch die Mitglieder des Betriebsrats im Rahmen eines Unternehmensverkaufs.
Wurde der Informationspflicht genügt, findet die Transaktion aber nicht binnen Zweijahresfrist ab der Information statt, so muss der Informationspflicht von neuem genügt werden.
Rechtsfolge der Missachtung der Informationspflicht ist die relative Nichtigkeit der Veräußerung, die von jedem Arbeitnehmer binnen Zweimonatsfrist geltend gemacht werden kann. Die Nichteinhaltung der Informationspflicht kann durch Zustimmung sämtlicher Arbeitnehmer des Unternehmens zur Veräußerung geheilt werden.
Im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt sind Fragen wie die Anwendung des Gesetzes in einigen Fallgruppen von Veräußerungen, etwa der Veräußerung von Strukturen, bei denen lediglich indirekt betroffenen Unternehmen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen; Umfang und Inhalt der den Arbeitnehmern geschuldeten Information; die Art der Übermittlung dieser Information; sowie die rechtliche Behandlung eines von den Arbeitnehmern abgegebenen Angebots.
Eine Auslegung der noch offenen Fragen wird sich aus der Praxis ergeben. Wir empfehlen, bei Transaktionen, die nach dem 1. November 2014 abgeschlossen werden sollen und in den materiellen Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, die erforderliche Information der Arbeitnehmer unbedingt zeitgemäß vorzunehmen.
Das German Desk berät integriert in den Praxisgruppen der Kanzlei Gide Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum.